Wie leben Menschen in Österreich im hohen Alter – zum Beispiel Grete?
Foto: Florian Rainer, veröffentlicht in DATUM 10/17
Um 07.30 Uhr läutet der Wecker. Zuerst die Medikamente: Trigelan 50mg zur Behandlung von Parkinson. PK Merz 100mg zur Vorbeugung von Zittern, Bewegungsstörungen und Körperstarre. Furon 40mg zur Förderung der Wasserausscheidung. Und Motilium 10mg gegen Übelkeit. Dann Körperhygiene. Zum Frühstück eine Scheibe Brot oder eine Semmel, manchmal ein Stück Striezel und immer Caro-Kaffee, koffeinfrei. Blutdruckmessen, meist ist er niedrig, rund 115/70. Eine Stunde Schlaf, dann Fernsehen. Alle 45 Minuten ein Glas Leitungswasser. Um 11 Uhr die Suppe, meistens eine cremige. Dann Xarelto 20mg zur Vorbeugung von Thrombosen und Embolien, Trigelan 50mg, PK Merz 100mg. Um 12 Uhr Mittagessen, Gemüse, manchmal Fisch, Fleisch nur am Sonntag. Dazu täglich Obst, Birnen, Äpfel, Bananen, alles püriert. Ihre falschen Zähne passen nicht mehr, neue zahlen sich nicht mehr aus. Nach dem Mittagessen zwei Stunden Schlaf. Um 15.15 Uhr Sturm der Liebe, ORF2. Dazu Kaffee und Kuchen oder Joghurt mit Biskotten und Honig versüßt. Ein Nachmittagsschlaf. Um 18 Uhr das Nachtmahl, Blutwurst mit Kren, Brot mit Aufstrich, Tee. Um 19.30 Uhr Zeit im Bild. Abends: Trigelan 50mg. Um 20 Uhr Nachtruhe bis 07.30 Uhr.
So sieht Gretes Tag aus, jeder Tag im vorletzten Stadium, wie ihre Pflegerin Zuzana es nennt. Die Grete hat Parkinson und Demenz, immer wieder Depressionen und immer seltener Schmerzen. Mit ihrem vollen schwarzen Haar und den hohlen Wangen liegt sie da, ein dünner, langer, starrer Körper. Das Bett verlässt sie nur mehr, wenn die Zuzana sie zur Abwechslung in den Rollstuhl setzt – oder sie ins Krankenhaus muss. Viermal musste sie im letzten Jahr. Ein jedes Mal hat man sie dort aufgegeben, ein jedes Mal ist sie zurückgekehrt. Ihr Körper kann nicht mehr so, ihr Geist will nicht mehr so. Sie ist schon noch da mit dem Kopf, sagen die Ärzte, die Pflegerinnen, sagt der Sohn. Manchmal nickt die Grete, wenn man sie etwas fragt, meistens aber nicht. Sie selbst sagt nicht mehr viel, einen Satz alle paar Tage, den dafür öfters, weil niemand ihn gleich versteht. Heute ist es ein einziger Satz, den sie mehrmals sagt, zu ihrem Sohn Peter, der sich freut darüber wie über ein Geschenk: ›Peta, iss wos!‹ Weiterlesen